Erschienen im EWK-Verlag |
In diesem Artikel stellte ich bereits den Roman "Brieffreundschaft mit einem Abzocker" vor und wunderte mich, dass der bekannte Rechtsanwalt Andreas Neuber aus Krefeld in seinem "Blog" gar einen Fahndungsaufruf startete.
Ein Grund für mich, mit dem Autor des Buches, Andreas Sterntal, mal ein Interview zu führen, denn der spannende Roman ist heute aktueller denn je, wenn man sich die realen Entwicklungen in den Netzwerken der Abzockbranche genauer anschaut.
Claus Frickemeier – im Folgenden CF:
Herr Sterntal, ich freue mich, dass Sie sich zu einem Interview mit mir bereit erklärt haben, nachdem ich vor ca. 3 Wochen versucht habe, über den EWK-Verlag Kontakt zu Ihnen aufzunehmen. Was war eigentlich Ihre Motivation gewesen, dieses Buch zu verfassen?
Andreas Sterntal – im Folgenden AS:
Ich würde es bevorzugen, wenn wir uns Duzen. Weißt Du, ich bin in ca. Anfang 2008 auf eine Abofalle des Frankfurter Kreisels, ich glaube www.namen-und-ahnen.de über ein Pop-up-Fenster mit Napoléon, und der provokanten Frage - wissen Sie, mit wem Sie verwandt sind – hereingefallen. Als gleich die freche zweite Mahnung dann ankam, konnte ich mich nur noch daran erinnern, auf der Seite zuletzt den Preishinweis gesehen zu haben und weggeklickt zu haben. Dennoch lag sie da, die freche Mahnung und hat mir den Abend versaut. Ich war schon drauf und dran das Ding zu bezahlen, nach dem Motto „aus den Augen, aus dem Sinn.“ Das hat so in etwa den gleichen Effekt, wie ein Ticket wegen Falschparkens oder zu Schnellfahrens, dann habe ich aber angefangen, mich dafür zu interessieren was und vor allem wer dahinter steckt und habe am nächsten Morgen gegoogelt. Was soll ich sagen, da waren ja haufenweise Blogs, Foren und Portale, voll mit Tausenden von Leuten, denen es genau wie mir gegangen war. Also habe ich das Teil fachgerecht entsorgt und mir nichts weiter gedacht. Dann kam aber gleich das noch dreistere Schreiben von der Anwältin Katja Günther mit der Androhung eines negativen Schufa-Eintrags.
CF: In welchem Abstand kam das denn?
AS: Ein, zwei Wochen, so genau weiß ich das nicht mehr, aber ich kenne mich ein wenig in der Materie Schufa aus und weiß a) das man nicht wegen einer unbezahlten Rechnung gleich einen negativen Schufa-Eintrag bekommen kann und b) dass nicht jeder dahergelaufene Popanz, oder meinetwegen auch Rechtsanwalt Mitglied der Schufa ist, weshalb das schon gar nicht geht.
CF: Also war die RAin Katja Günther gar nicht Mitglied der Schufa?
AS: Doch war sie, zumindest zu dem Zeitpunkt, als ich die Mahnung mit der Androhung des negativen Schufa-Eintrags bekommen habe, was von daher hätte theoretisch klappen können und ich weiß, dass sie meine unbezahlte Rechnung auch der Schufa gemeldet hat. Aber da hatte ich schon längst mit der Schufa kommuniziert inklusive der Information, dass der Guten die Mitgliedschaft aufgrund dieses Verhaltens gekündigt worden war.
CF: Aber zu dem Buch ist es doch noch ein langer Weg?
AS: Ja, sicher, ich fing also an, mich für die Jungs und Tanten hinter den Abofallen zu interessieren und habe so allmählich im Laufe der Zeit sehr viel ausbuddeln können. Später, als ich mich schon ganz aus der Szene verabschieden wollte, fanden Einige das sehr schade, weil sie meinten, dass ich zum Einen doch sehr viel Hintergrundwissen hätte und zum Anderen, das auch literarisch verarbeiten könnte und sollte. Das war dann das Initial zu dem Buch gewesen.
CF: Bist Du der alleinige Autor, oder gab es noch Co-Autoren?
AS: Sagen wir es mal so, ich hatte ein Team von Co-Autoren, die einzelne Kapitel geschrieben haben. Gegen Hälfte des Buchs habe ich dann mit den Co-Autoren zusammen festgestellt, dass es sprachlich so nicht funktioniert, so dass ich ab dann nur noch Gerüste geliefert bekommen habe, die ich dann fertig gestellt habe, so dass das Buch zumindest für den Leser aus einem Guss gegossen erscheint.
CF: Du sagst, es hätte Blogs und Foren mit den Einträgen Tausender Leute gegeben. Kannst Du ein Gefühl dafür vermitteln, wie viel Betroffene das damals waren?
AS: Oh je, allein mein Liebling www.namen-und-ahnen.de war Thema von mindestens 4 eigenen Blogs, die sich ausschließlich mit dieser einzigen Webseite befasst haben. Da gab es einen Blog, da hatte ich mich immer gewundert, wo meine Beiträge geblieben sind, bis ich mitbekommen habe, dass der aus 4 Parallel-Strängen mit jeweils 2000 Beiträgen bestand. Aber das war ja nicht nur diese eine Webseite mit der abgezockt worden ist, sondern Hunderte, ja Tausende. Sehr schnell habe ich verstanden, dass das Phänomen der Abofallen gesteuert ist und nicht etwa zufällig entstanden ist. In der Spitze so gegen 2008/2009 gab es sicherlich 10 bis 12 und mehr Gruppierungen, von denen jede immer mehrere Projekte parallel laufen hatte. Das habe ich sehr schnell auch gemerkt, dass es zwar von Gruppierung zu Gruppierung graduelle Unterschiede im Betrieb der einzelnen Abofallen gibt, aber trotzdem so etwas wie eine zentrale Steuerung vorhanden gewesen sein musste. Teilweise kann man den Webseiten über die Betreiberkreise hinweg die Verwandtschaft ansehen. Allein für das Erstellen und den Betrieb der Webseiten gibt bzw. gab es eigene Firmen z.B. in Güstrow und Hagen.
CF: Interessant, wie bist Du darauf gekommen?
AS: Über das Thema der Suchmaschinenwerbung und darüber, dass ich z.B. selten oder nie auf Angebote z.B. der Gebr. Schmidtlein gestoßen bin. Da wurde mir klar, dass die Werbung wahrscheinlich zentral geschaltet ist, schon allein um zu verhindern, dass Konkurrenz entsteht.
CF: Soll aber das Geschäft beleben?
AS: Das würde doch nur die Keyword-Preise bei Google unnötig aus Sicht der Abzocker in die Höhe treiben. Also denke ich, dass die regional so geschaltet worden sind, dass die eben die Konkurrenz untereinander vermieden haben. Das fiel mir nämlich auch in Gesprächen auf, dass je nach regionaler Verteilung der eine von dem einen und der andere von einem anderen Kreis abgezockt worden ist. Für mich war halt der Frankfurter Kreisel und nicht das Kalletaler Dreieck, oder die Gesetzeslück zu Osnabrück zuständig.
CF (grinsend): erklärt mir jetzt auch Einiges.
AS: Pass auf, dann ist mir noch etwas aufgefallen. Gab es in der Spitze um 2008/2009 so ca. 10 bis 12, vielleicht noch ein paar mehr abzockende Kreise, so ist ab ca. 2009 nur noch der Frankfurter Kreisel und die Waldorfschulconnection übrig geblieben, also alles Jungs, die einem Anwalt direkt zuzuordnen sind. Mit den Gebr. Schmidtlein und dem Eventus-Komplex haben sich seit Anfang diesen Jahres dann auch noch 2 Schwergewichte, die aber auch direkt dem einen Anwalt zuzuordnen waren, zurückgezogen. Aber die vielen kleinen, hääähmm, mittelständischen Abzocker sind alle ab ca. 2009 verschwunden.
CF: Wo kommt eigentlich dieser nette Ausdruck „Waldorfschulconnection“ her?
AS (grinsend): Das Vorbild meines Protagonisten hat sein BWL-Studium in den Sand gesetzt gehabt und sich damals schon mit den Abzocken von Schulmädchen finanziell über Wasser gehalten.
CF: Aber damals gab es doch noch keine Abofallen?
AS: Nö, nicht mal Internet. Aber die abzockende Ader hat er schon damals gehabt, als er mit Anzeigen in Schülerzeitungen die Erstellung professioneller Sed-Card für eine spätere Model-Karriere beworben hat.
CF: Verstehe, das war dann schon die Definition seines Beuteschemas?
AS: Sehr treffend formuliert! Die armen Dinger sind reihenweise darauf reingefallen und haben für die Erstellung völlig wertloser Sed-Cards 350 D-Mark geblecht. Entgegen dem Werbeversprechen war die Vermittlung an Agenturen von vornherein nie angedacht gewesen.
CF: Wie ging die Geschichte aus und ich habe immer noch keine Ahnung wo der nette Begriff „Waldorfschulconnection“ herkommt?
AS: Na ja, es kam, wie es kommen musste. Der Vater eines abgezockten Mädels war Rechtsanwalt und hat sich der Sache ein wenig angenommen. Ich meine, der hat nicht etwa nur die 350 D-Mark für seine Tochter zurückgeholt, der hat das sehr persönlich genommen und hat über Anzeigen alle abgezockten Mädels ausfindig gemacht, um deren Kohle auch noch zurück zu holen. Ende vom Lied, das Vorbild des Protagonist von dem Buch hatte einen Haufen Schulden an der Backe, wurde ohnehin schon vom Sozialamt finanziert und stand ohne Ausbildung da. Also voll die Katastrophe für einen jungen Mann so Mitte 20. Na ja, es müssen Höllenszenen gewesen sein, die Eltern davon zu überzeugen, die Schulden des Filius zu regeln und um dann noch so etwas wie eine vorzeigbare Ausbildung zu bekommen, dem Sohnemann eine teure Privatakademie zu bezahlen, die sich bei näherer Betrachtung als so etwas wie eine Verwertungsdeponie für die gescheiterten Söhnchen und Töchterlein herausstellt. Auf dieser Privatakademie war dann auch parallel, obwohl 8 Jahre jünger, der jetzige flüchtige Geschäftsführer des nachrangig mahnenden Inkassodienstes. Das ist der Ursprung des Begriffs „Waldorfschulconnection“.
CF: Du hast davon gesprochen, dass von ursprünglich 10 bis 12 Abzockkreisen letztlich nur noch einer übrig geblieben ist. Kannst Du das mal ein wenig erläutern?
AS: Das will ich so beantworten, dass die kleinen, hääähhhmm mittelständischen Abzocker wahrscheinlich von ihren abzockenden, aber viel größeren Wettbewerbern per DDoS-Attacken totgehauen worden sind, so dass sich ihre Google-Guthaben entleert haben, ohne dass Registrierungen vorgenommen worden sind, weil die Seiten stehen ja noch im Netz, nur werden sie nicht mehr aktiv beworben.
CF: Interessant, wie bist Du darauf gestoßen?
AS: Also das Vorbild des Protagonisten meines Buchs betreibt sogenannte „Social-Network-Abzockeseiten“, also Seiten, auf denen Mitfahrdienste oder Mitbewohner angeboten und gesucht werden können, so dass zumindest theoretisch die Chance eines Gegenwertes besteht. Ist aber nur Theorie, dann in Wirklichkeit hat mein Protagonist keine Lust und auch nicht die Absicht, auch nur einen Finger für seine „Kunden“ krumm zu machen. Du hast im Übrigen Recht, dass die Erstellung der Sed-Cards ein direkter Vorläufer dieses Modells war. Insgesamt hat es im Lauf der Zeit mindestens 5 verschiedene Versuche gegeben, exakt das zu kopieren. Alle 5 Versuche sind samt und sonders kläglich gescheitert, das heißt, die waren jeweils nur wenige Wochen über die Suchmaschinenwerbung zu finden gewesen, um dann nur noch als traurige Ruinen ein Restdasein zu fristen, während die Abofallen meines Protagonisten eigentlich immer an erster Stelle bei den Suchmaschinen zu finden sind.
CF: Das habe ich vorher so auch noch nicht gehört, klingt aber einleuchtend. Du sprichst immer von dem Vorbild Deines Protagonisten. Kann ich das so verstehen, dass die in dem Buch vorkommenden Personen real existieren?
AS (mitleidig schauend): Existieren die Abofallen in der Realität oder ist das alles nur Anbieten von Premium-Content? Nee, ernsthaft, alle in dem Buch beschriebenen Personen sind frei erfunden, Ähnlichkeiten mit lebenden oder gestorbenen Personen sind zufällig und nicht beabsichtigt, oder was wolltest Du von mir hören?
CF: Ja nee, is klar, ich meine das in Bezug auf das Anbieten von Premium-Content. Lass mich die Frage anders formulieren: gab es auch Anfeindungen gegen das Buch oder Dich?
AS (losprustend): Na ja, die Abzocker unterhalten in der Person eines in dem Buch beschriebenen Anwalts so etwas wie eine Abwehr-Abteilung.
CF: Echt?
AS: Tu doch nicht so naiv, was ist denn gerade bei Dir los bzw. wer überzieht Dich gerade mit seinem Law-Hunting, und das ganz aktuell?
CF: Och etwa er?
AS: Ja, genau der. Der war übrigens einer der ersten Besteller schon vor Erscheinen des Buches gewesen. Dann ist so ungefähr 2 Monate nix passiert, als urplötzlich 2 oder 3 Blogs von einem angeblichen „Andreas Sterntal“ erschienen sind und wo jener „Andreas Sterntal“ dann seine angeblich wahre Identität inklusive seines Konterfeis usw. preisgibt.
CF: Hast Recht, ist schon ein wenig blöde, ich habe auch nicht verstanden was das sollte?
AS: Simpel, der RA…. also er, hat das Buch gelesen und sich möglicherweise in einer Person wiedergefunden, die ihm nicht so super günstig vorkam. Jedenfalls hat er wahrscheinlich einen Anwalt mit ähnlichem Namen, wie in dem Buch verwendet, ausgegraben und den angespitzt, doch etwas gegen das Buch zu unternehmen. Vorher hat er schon dem Vorwortgeber Prof. See komische E-Mails geschrieben. Prof. See hat sich meinem Vorschlag angeschlossen, auf solche verwirrten E-Mails am besten gar nicht zu reagieren. Jedenfalls wird er den ausgebuddelten RA nicht dazu bewegt haben können, etwas gegen das Buch zu unternehmen. Ich denke mal, dass der ausgebuddelte RA am Ende herausgefunden haben wird, warum er so unbedingt etwas gegen das Buch unternehmen wollte und dass er sich da in der nicht so super günstig gezeichneten Person wieder erkannt habe muss. Und weil er nicht konnte wie er wollte, musste dem Autor Andreas Sterntal eine Identität zugewiesen werden, dafür wurden dann die gefälschten Blogs gebastelt, eine E-Mail gefälscht und veröffentlicht und schwupps, schon war „Andreas Sterntals“ wahre Identität für ihn verifiziert.
CF: Ach jetzt wird mir das klar, und dann kam der „öffentliche Fahndungsaufruf“ nach Dir?
AS: Exakt einen Tag nachdem die gefälschten Blogs gebastelt und ins Netz gestellt worden sind. Ich nehme mal an, dass sich der Nachthimmel über dem linken Niederrhein blutrot verfärbt hat, als er in die Tasten gegriffen, hat um das bahnbrechende Elaborat des „öffentlichen Fahndungsaufrufs nach dem Autor von Brieffreundschaft mit einem Abzocker“ zu verfassen. Macht er aber auch mit anderen so. Die bilden dann eine in sich geschlossene Webseitenwelt, wo dann untereinander orakelt wird, welche Straftatbestände man wem zuordnen soll. Das sind Rufmordkampagnen, die letztlich darauf ausgerichtet sind, Existenzen zu gefährden. Dagegen ist das, was er mir da angedichtet hat, noch sehr harmlos. Weißt Du, er scheint da ein wenig vereinsamt zu sein, wenn er auf seinem Blog zum Beispiel Blog zunächst Themen anreißt, die für sich betrachtet zunächst niemand versteht. Der Kontext ergibt sich dann aus den Kommentaren, wenn er sich unter anderen Namen selbst kommentiert und dort seinen eigentlichen Weltenschmerz offenbart.
CF: Was empfiehlst Du in der Situation?
AS: Er sollte sich kompetente Hilfe suchen.
CF: Haben die Abzocker eigentlich selbst irgendwann auf Dein Buch reagiert?
AS: Noch mehr Leute als nur er? Ja! Du musst folgendes bedenken: zur Entstehungszeit des Buchs war das Vorbild des Protagonisten der kleinste und unbedeutendste Abzocker im gesamten Zirkel. Dennoch habe ich von Anfang an erkannt, dass er wahrscheinlich das größte Potential von allen anderen Abzockern hat.
CF: Dann ist Dein Buch auch so etwas wie ein Psychogramm?
AS: Genau – ich hatte eine bestimmte Vorstellung von dem Menschen und seines Charakters. In diversen Gesprächen mit Leuten, die ihn kannten und kennen und anhand dessen, was ich gefunden habe, bzw. was auch von ihm veröffentlicht wird, ergab sich das sehr exakte Bild eines durchaus kreativen, nicht mal dummen und vordergründig durchaus sympathischen Menschen, der aber getrieben ist von seiner maßlosen Darstellungssucht in Verbindung mit einer sehr ordentlichen Portion an krimineller Energie.
CF: Aber trotzdem ist und bleibt er der kleinste Abzocker, unvergleichlich viel kleiner als z.B. das Kalletaler Dreieck, wenn ich daran denke, wie viel Leute damals dafür tätig waren, dann ist dagegen das Vorbild Deines Protagonisten doch eine One-Man-Show?
AS: Kommt jetzt knüppeldick. Nachdem Katja Günther und auch Olaf Tank sich aus dem Mahn-Business zurückgezogen haben und die Proinkasso in Insolvenz ist, fehlte den Abzockern die Hierarchieebene des nachrangigen Inkassos, die Generalstabsstelle, wenn Du so willst, also die wichtigste Stelle unter dem Kopf der Abofallenmafia. Zwar unterhält auch der Frankfurter Kreisel eine Inkassostruktur, die aber wahrscheinlich noch in den Kinderschuhen steckt, bzw. der noch die qualifizierte Person fehlt, weshalb es zum jetzigen Zeitpunkt so ungemein wichtig war, den Berliner Inkassodienst zu reaktivieren. Und wer kam Besseres dafür in Betracht, als das Vorbild meines Protagonisten, der ja nicht mal ein Problem damit zu haben scheint, sich freiwillig vor Gericht zu präsentieren?
CF: Unglaublich, dann ist das Buch ja aktueller, als je zuvor?
AS: Exakt, da wird in nächster Zukunft noch mindestens einmal eine Inkassowelle über das Land hinwegrauschen, und das jetzt mit dem Vorbild meines Protagonisten an vorderster Stelle. Aber es kommt noch besser, Du hast ja gefragt, ob die Abzocker auf das Buch reagiert hätten. Na ja, zunächst nicht, aber nachdem er – na Du weißt schon wer – dem Andreas Sterntal eine Identität zugeordnet hatten, hat sich das Vorbild meines Protagonisten auf den Weg gemacht und die zugeordnete Identität besucht.
CF: Nicht möglich?
AS: Ich habe zunächst auch gedacht, dass da jemand von irgend etwas zu viel genommen haben muss. Aber die Erzählung war absolut authentisch, dass das Vorbild meines Protagonisten die mir zugewiesene Identität in Begleitung seiner Rechtsanwältin, die er aber nicht als solche, sondern als seine Mitarbeiterin Katharina Schäfer vorgestellt hat, besucht hat.
CF: Der traut sich was!
AS: Allerdings, nur überwog die Neugier bei der Person der mir zugewiesenen Identität vor dem ersten Impuls, den Kerl an Arsch und Kragen zu packen und ihn rauszuschmeissen.
CF: Und dann?
AS: So wie ich das verstanden habe, hat das Vorbild des Protagonisten versucht die Hucke vollzulügen, wohlwissend, dass sein Zuhörer die Lügen als solche identifiziert.
Aber im Verlauf dess Gesprächs kam wohl doch heraus, dass hinter den schmalen Abzockerschulterchen so etwas wie ein Menschlein existiert, dem es sehr weh zu tun scheint, wenn man ihm den Spiegel vor die Nase hält und dass ihm die öffentliche Berichterstattung über seine Person nicht so gut gefällt.
CF: Was genau tut denn diesem Menschlein so weh?
AS: Schlicht und ergreifend: Die Wahrheit. Genauso wenig wie er nicht damit umgehen kann, können auch die Abzocker selbst nicht damit umgehen, dass man zu offen die Wahrheit ausspricht und über ihre soziale Isolation inklusive der Furcht vor dem öffentlichen Erkanntwerden berichtet, oder dass sich ihre öffentliche Reputation lediglich auf die Zurschaustellung von Statussymbolen wie Autos reduziert. Sobald aber ruchbar wird, wie und womit sie Geld machen, keiner mehr etwas von ihnen wissen will.
CF: Du meinst, dass die Abzocker wirklich so dermaßen sozial isoliert sind, dass es ihnen nicht nur auffällt, sondern auch weh tut?
AS: Denk mal drüber nach. Da gab es einen, der sich in einem öffentlichen Interview als „Buchhalter“ bezeichnet hat. Mir wurde später klar, dass er damit sogar unfreiwillig die Wahrheit gesagt hat, denn echte unternehmerische Tätigkeiten oder Entscheidungsfreiheiten kennt der gar nicht. Der ist Befehlsempfänger, wenn z.B. der Kopf der Abofallenmafia sagt: „wann Schluß ist, bestimme ich, nicht Du.“ Selbiger Abofallenbetreiber nennt sich selbst nach dem italienischen Mönch „Girolamo Savonarola“. Auch hier wurde mir erst ein wenig später klar, dass auch das eine unfreiwillige Selbstentblößung war. Natürlich, denn genau, wie der italienische Mönch, lebt er hinter seinem stacheldrahtbewehrten Hochsicherheitstrakt, wie in in einer Mönchsklause. Merke: diese unfreiwilligen Selbstoutings sind wie eine Art Hilfeschrei zu verstehen.
CF: Vielen Dank für das Interview.
AS: Gern geschehen. Nächstes Mal interviewe ich Dich.