Dienstag, 4. August 2009

Zweiter Akt: Einarbeitung durch Bennette Buchwald, Oktober 2008

Ich war als Abteilungsleiter für die sogenannten "Müller-Projekte" zuständig. In erster Linie wurde für die nachfolgenden Internetprojekte von mir erwartet, daß ich entsprechendes Personal für die Mailbearbeitung und die Support-Hotlines vorhielt und die Callcenter-Agents entsprechend schule.

Die "Müller-Projekte" offenbarten sich als folgende Internetprojekte (bewusst nicht verlinkt):

http://www.movie-scout.net
http://www.netarena.tv
http://www.casting.ag
http://www.movie-tester.net
http://www.1000.gratisproben.com
http://www.webtunr.com
http://www.verkehrsprofi.com
http://www.das-tv-quiz.com

sowie einige weitere Projekte. Nun fragt man sich vielleicht, warum mir nicht von Beginn an klar war, daß es sich hier um offensichtliche Abzocke handelt? Ganz einfach: das "operative Tagesgeschäft" lässt kaum Zeit und Raum, um hinter die perfekt aufgebaute Kulisse zu schauen. Mir wurde Frau Bennette Buchwald als meine Vorgängerin vorgestellt in der Funktion als Abteilungsleiter und sie arbeitete mich in die Projekte ein. "Sie müssen hierauf achten, und ausserdem....". Alleine die technische Geschichte zur Bearbeitung von Kundenanfragen ist sehr komplex, nicht minder der Bereich der eMail-Bearbeitung, ganz zu schweigen von der Personalplanung. Nicht zuletzt, weil stets Personal entlassen wurde, um kurz darauf zwingend neues Personal zu rekrutieren.

Bennette Buchwald war übrigens eine Person, mit der ich von Beginn an nicht klargekommen bin. Es mag daran liegen, daß ich ihr Nachfolger war und sie nicht freiwillig ihren Posten räumte. Ihr Verhalten mir gegenüber mag darin begründet sein, daß sie sich als unangreifbar verstand, da sie direkt bei der "Müller-Gruppe" angestellt war und quasi nur an die BWL Letter & Support GmbH ausgeliehen wurde, um deren operatives Geschäft zu überwachen, welches im Supportcentrum von Babenhauserheide betrieben wird. Wie auch immer: sie arbeite mich, wohl oder übel, in die Projekte ein. Stress pur, denn stets standen wir unter Zeitdruck. "Hey, wir brauchen neues Briefpapier!" - "Verdammt, einer der Drucker funktioniert nicht!" - "Mist, wir haben 3000 Mails in der Pipeline, die können wir unmöglich heute abarbeiten!" - "Melli ist ausgefallen, hat Grippe. Wir brauchen Unterstützung!" - "Hey, Claus! Wo sind die Auswertungen der letzten Woche, wann ist Melli wieder fit?".

Die Einarbeitung bestand in erster Linie darin, das Admin-Interface kennenzulernen, um auf Mails verärgerter Kunden reagieren zu können und man hat somit Zugriff auf die Datenbank des jeweiligen Projektes. Per Interface kann man nun in einer Eingabemaske direkt antworten und auch die entsprechenden Userdaten abrufen, die gespeichert wurden. So gestaltete sich auch die Arbeit der zahlreichen Agents, die tagtäglich die Anrufe der erbosten (vermeintlichen?! ) Kunden entgegen genommen haben. Natürlich macht die Anzahl der Beschwerden nachdenklich, aber auf Nachfrage wurde plausibel geantwortet: "Bei Projekten mit -zig Millionen Usern gibts auch welche, die sich beschweren. Und genau die laufen hier bei uns im First-Level-Support auf!". Eine perfekte Kulisse von Verlogenheit.

Was ich damit ausdrücken möchte: das operative Tagesgeschäft lässt keinen Raum über Sinn oder Unsinn nachzudenken. Jeder Mitarbeiter macht seinen Job und steht unter einem gewissen Stressfaktor. Natürlich gab es auch Phasen, wo es ruhiger zuging und man veranstaltete ein gemeinsames Frühstück, um den Stress der vergangenen Wochen abzuschütteln. Man rückte näher zusammen und klopfte sich ob der vollbrachten Leistung auf die Schultern. Es ist schon perfide, und dennoch sollte es nachvollziehbar sein: die Mitarbeiter haben ihren Job gemacht und sich redlich bemüht, gut zu sein. Für die Belegschaft lege ich die Hand ins Feuer: niemand wusste um die Abzocke. Sie haben alle einfach nur funktioniert und ihren Job gut gemacht. Dummerweise.

1 Kommentar:

  1. "Für die Belegschaft lege ich die Hand ins Feuer: niemand wusste um die Abzocke. Sie haben alle einfach nur funktioniert und ihren Job gut gemacht. Dummerweise. "

    Ja, und dummerweise war niemand klug genug Nachforschungen über die eigene Firma anzustellen?

    Dumm geboren und nichts dazugelernt - kein Mitleid!



    #k.

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