Kreis Herford/München. Die Bezeichnungen
waren phantasievoll: Als Badesalz oder Kräutermischungen wurden die
Stoffe offiziell angeboten. Tatsächlich handelte es sich um Substanzen,
die teils die selbe Wirkung wie Drogen haben. “Legal Highs” werden die
Stoffe genannt, vor deren schweren gesundheitlichen Folgen
Suchtexperten, Drogenfahnder und sogar die Vereinten Nationen warnen und
die jetzt einen Vlothoer auf die Anklagebank des Amtsgericht München
bringen.
Am 14. November muss
sich der Vlothoer Geschäftsmann “wegen fahrlässigen Verstoßes gegen das
Arzneimittelgesetz verantworten”, wie der Sprecher der
Staatsanwaltschaft München I auf Anfrage der Neuen Westfälischen erklärte. Hintergrund
ist ein florierender Handel mit den als Kräuterdrogen bezeichneten
Substanzen, bei denen der Kreis Herford als eine Vertriebszentrale
fungierte.
Während sich der Vlothoer vor dem Strafrichter
des Amtsgerichts verantworten soll -und in einem solchen Fall wohl nur
eine geringe Strafe befürchten müsste-, steht sein ehemaliger
Geschäftspartner (36) wegen gewerbsmäßigen Schmuggels und Verstoßes
gegen das Arzneimittelrecht vor dem Landgericht München I.
Der
36-jährige Mann aus Grünwald bei München soll die Ursprungssubstanzen
gleich kiloweise aus China eingeführt haben, so die Anklage. 67 Fälle
listet sie auf, in denen zwischen Frühjahr und Herbst 2011 mehr als 200
Kilo nach Deutschland gelangten. Teilweise enthielten die Pakete
sogenannte Drogenersatzstoffe, die unter das Betäubungsmittelgesetz
fielen. In anderen Fällen lösten die Substanzen zwar einen Rausch aus –
die Inhaltsstoffe waren aber nicht verboten.
Getarnt wurden die
Importe unter anderem als Rostschutzmittel. Ihr Wert wurde gegenüber dem
Zoll mit 5 bis 10 Dollar je Kilo angegeben, wobei der tatsächliche Wert
laut Anklage auf 1.300 Euro beziffert wurde.
Die Münchener Drogen
sollen dann nach Vlotho geschafft worden sein. Hier wurden sie mit
kleinen Waagen grammweise portioniert und dann verpackt – teilweise
sollen sie auch von dort verschickt worden sein.
Die
Staatsanwaltschaft München I, die gegen den Vlothoer zunächst einen
Strafbefehl beantragt hatte, geht davon aus, dass er bei genauerem
Hinsehen hätte erkennen müssen, mit welchen Substanzen er es tatsächlich
zu tun hatte. Ein Hinweis des schwedischen Zolls, der eines der Pakete
aus China abfing und den Inhalt analysieren ließ, brachte die Ermittler
der Zollfahndung Nürnberg auf die Spur der Kräuterdrogen. Die Ermittler
gingen damals davon aus, dass sogar 350 Kilogramm der Kräutermischungen
und Badesalze umgesetzt wurden, die einen Wert von hochgerechnet zehn
Millionen Euro haben.
Die Ermittler durchsuchten in München,
Herford und Deggendorf zehn Firmen- und Privatgebäude, nahmen
drei
Männer und zwei Frauen im Alter von 31 bis 48 Jahren fest. Gegen vier
Personen -darunter der jetzt vor Gericht stehende Münchner
Geschäftsmann- wurden damals Haftbefehle erlassen, Wochen später aber
wieder außer Vollzug gesetzt.
Bei der Durchsuchung in Vlotho
stießen die Zollbeamten auf rund 25 Kilogramm der gefährlichen
Substanzen. Der Vlothoer war festgenommen, befragt und dann wieder auf
freien Fuß gesetzt worden. Der aktuelle Prozess gegen seinen
Geschäftspartner vor dem Landgericht München I war zunächst auf drei
Verhandlungstage angesetzt worden, wurde nun aber um zwei weitere Tage
verlängert. Das Urteil wird am 10. Oktober erwartet.
Im Prozess gegen seinen ehemaligen Vlothoer Geschäftsmann müsste der 36-jährige dann wohl aussagen.
Was die Substanzen so gefährlich macht
Vor
den neuartigen Designerdrogen, die als Kräutermischungen, Badesalz oder
gar als Aquarienreiniger angeboten werden, geht eine unkalkulierte
gesundheitliche Gefahr aus. Der Drogenüberwachungsrat der Vereinten
Nationen hatte erst im März vor den Designerdrogen gewarnt (die NW berichtete).
Die
in südamerikanischen, osteuropäischen oder chinesischen Laboren
zusammengemixten Substanzen können neben der drogentypischen
Abhängigkeit Herzrasen oder Panikattacken aber auch Spätfolgen auslösen.
Ärzte, Suchtberater und Polizisten warnen vor dem Konsum der meist über
das Internet vertriebenen Päckchen.
Die “Räucher- und
Kräutermischungen” enthalten neben pflanzlichen Stoffen hauptsächlich
synthetische Cannabinoide und sollen nach der Inhalation einen
Rauschzustand ähnlich wie beim Cannabis erzeugen, so die bisherigen
Erfahrungen.
Die “Badesalze” bestehen vorwiegend aus synthetischen
amphetaminähnlichen Stoffen und wirken daher als Aufputschmittel. Der
Name “Legal Highs” suggeriert, dass die Substanzen legal sind.
Tatsächlich handelt es sich oft um Drogensubstanzen, bei denen chemisch
nur einzelne Komponenten ausgetauscht werden. Das macht die Stoffe für
die Ermittler und Justiz schwer zu fassen.
Quelle: Neue Westfälische Zeitung Ausgabe vom 5./6.10.2013